ALI AS

Dass Ali As schon über zehn Jahre ein Teil des deutschen Rap-Games ist, würde man nicht unbedingt denken. Dafür bewegt sich der 37-jährige in allen Belangen viel zu sehr auf Höhe der Zeit und doch fernab irgendwelcher Trends. Er hat luftdichte Endlosreimketten, die jeden Rap-Fan mit Silbenzähl-Fetsch ins Schwitzen bringen, er hat eine von Humor, Eloquenz und Ernsthaftigkeit gleichermaßen geprägte Delivery, er hat Themen und er hat Bars – für sich und für andere. Wer ist dieser Typ, der von sich behauptet Poet, Prolet und Prophet in einer Person zu sein. Aber wer ist der Typ eigentlich?

Geboren wird Ali As als Zulfiqar Ali Chaudhry 1979 in München, genauer: dem südlich gelegenen Stadtteil Solln. An Rap ist damals noch nicht zu denken – wohl aber an eigene Hörspiele, die er mit seinem Kassettenrekorder aufnimmt und die Titelmelodien und Geräusche von Serien wie »Die drei ???« zweckentfremdet. 1990, Ali As ist gerade 11 Jahre alt, kommt dann doch der Rap hinzu. Zuerst hört nur Musik von der Sugarhill Gang, Naughty By Nature oder dem kanadischen Duo Dream Warriors – dann fängt er selber an Musik zu machen. Als Teil Crossover-Combo Artzone vereint Ali As ab 1995 sein Faible für Rap mit der Vorliebe für Hardcore-Bands wie Rage Against The Machine, Clawfinger und Rollins Band. Am Anfang übersetzt er noch Texte seiner Lieblingsbands aus dem Englischen, dann kommen irgendwann die ersten eigenen Lyrics dazu.

1999 öffnet in München der Flava Club, welcher inner- aber auch außerhalb Münchens regelmäßig HipHop-Parties veranstaltet, seine Pforten. Ali As engagiert sich als Fahrer bei den Gigs von Münchener MCs wie Weeh78, Passt Shawn oder DJ Redrum und schaut auch regelmäßig bei den sonntäglichen Freestyle-Contests vorbei. Irgendwann steht er auch mal auf der Bühne und bringt seinen ersten Freestyle. »Weeh78 war damals eine große Inspiration für mich. Er hat unter der Woche irgendwelche Anekdoten erlebt und sie dann jeden Sonntagabend in seine Freestyles eingebaut«, erinnert sich Ali As. Die Folge: Schon damals entwickelt Ali As einen hohen Anspruch an sich und seine Reimfertigkeit. »Die anderen waren schon viel weiter als ich. Also musste ich schauen, dass ich das Handwerk beherrsche, damit ich nicht als Rookie auffalle.«

Abseits der Bühne läuft bei Ali As aber immer noch ausschließlich US-Rap. Als er 1999 aber den Featurepart des jungen Samy Deluxe auf dem zweiten Freundeskreis-Album »Esperanto« hört, hat er das erste Mal den Eindruck, dass deutscher Rap doch cool sein kann. In den darauffolgenden Jahren sind die Sprachgewandtheit von Samy Deluxe und die Ignoranz des jungen Eko Fresh entscheidende Einflüsse für Ali As, der schon damals die sich stetig wandelnde US-Rap-Szene beobachtet und Mixtapes als Promotools für sich entdeckt. Auf Veröffentlichungen wie »A$talavista, Baby!« und »Ich bin ein Star, holt mich hier raus!« paart er seine ignorant-humorvollen Reimketten lange vor dem Rest der Szene mit melodiösen Hooks – und wird 2005 bei Samy Deluxe’ Label

Deluxe Records gesignt, wo er in den Jahren darauf eine aus den Mixtapes »Wie baut man eine Bombe?« und »Der Countdown läuft« so wie seinem Debütalbum »Bombe« bestehende Trilogie veröffentlicht.

Während seiner Zeit bei Deluxe Records ist Ali As nicht nur musikalisch aktiv, sondern ist dem derzeit grassierenden Videoblog-Wahnsinn des deutschen Rap bereits 2007 um Jahre voraus und stellt in der labeleigenen Internet-Show »Deluxe Zoom« sein komödiantisch Potential unter Beweis, nur um ein gutes Jahr später in der RTL-2-Show »Der Bluff« an der Seite von Xatar und Bintia einen Literaturstudenten zum Gangsterrapper zu machen. Als Deluxe Records aus wirtschaftlichen Gründen schließen muss, wird es ruhig um Ali As, der in dieser Zeit kleinere Schauspielerrollen – unter anderem im Bergsteigerdrama »Nanga Parbat« – annimmt.

2011 wird Ali As – eher zufällig – Teil von Kellerkommando. »Die Jungs haben fränkische Volksmusik mit Rap gemischt und für eine Handvoll Auftritte noch einen Ersatz für ihren ausgefallenen Rapper gesucht.« Ali As begleitet die Crossover-Combo bei Festivals wie dem Chiemsee Reggea Summer und auf Einladung des Goethe Institutes ins mexikanische Guadalajara – und rappt dann auch auf dem Debütalbum »Dunnerkeil«. »Auch wenn diese Sache manchmal von außen belächelt wurde, war sie es wert, weil dadurch Weichen für mich gestellt wurden – und meine Verses waren halt trotzdem besser als vieles, was meine Kollegen in der Zeit als Vollzeit-Rapper veranstaltet haben«, sagt Ali As. Nach dem Ali As und Kellerkommando 2013 wegen persönlichen Differenzen getrennte Wege gehen, veröffentlicht der Münchener mit der »EMWIMO«-EP sein erstes Solorelease seit fünf Jahren, kehrt endlich wieder zu alter Stärke zurück und vermengt das gewohnt sture Sprücheklopfen mit einer pointierter Beobachtungsgabe und neuer Ernsthaftigkeit zu reflektierten Rap-Songs.

Etwas, dass sich nach dem Wechsel zum Label Embassy of Music auch auf seinem zweiten Album »Amnesia« im Jahr 2015 fortsetzt. Für die 13 Songs tut er sich endlich wieder mit Hausproduzent ELI zusammen, der ihn schon seit Flavaclub-Tagen begleitet und der dem Album als Executive Producer mit der Hilfe von David Ruoff und Max Gain ein stimmiges Soundbild gibt. Auf den atmosphärischen Arrangements ist Ali endlich ganz er selbst: Prophet, Poet und Prolet. Mit genau dem richtigen Gemisch aus Punchlines, Themenvielfalt, Humor, Ernsthaftigkeit, Sound und Swinag steigt »Amnesia« im Januar auf Platz 17 der Charts ist für viele da schon eines der Alben der gesamten Spielzeit 2015. »Du kannst dir zehntausend Beats picken und mit den bekanntesten Produzenten zusammenarbeiten. Aber wenn zwei Typen ins Studio gehen und geile Musik machen, ist das unbezahlbar. Das macht ein cooles Team aus«, sagt Ali As.

Nach dem ELI und David Ruoff im letzten Jahr das Nummer-1-Album »Mama« von MoTrip produzierten, ging es wieder mit Ali As ins Studio. Herausgekommen ist dabei »Euphoria« – das dritte Album des selbstbetitelten Propheten, Poeten und Proleten Ali As ist die bis dato wohl beste Platte des komplettesten MCs dieses Landes. Mit um die Ecke gedachten Punchlines, beinahe unverschämten Reimschemata, tiefgründigen Themen genau so wie arroganten Ansagen. So eingängig wie eigen, gespickt mit für die Szene gedachten Insidern und doch so weitsichtig und allgemeingültig, dass jeder da draußen, ganz genau weiß, was gemeint ist. So vielschichtig und gleichzeitig aus einem Guss klang deutscher Rap schon lange nicht mehr.

»Euphoria« steigt auf Platz 6 in den Charts ein und die Single »Lass Sie Tanzen« mit Namika steht ein gutes Jahr nach Release kurz vor Goldstatus. Ali As arbeitet mit Kollegah und MoTrip zusammen und erspielte sich mit über 60 Shows im Jahr 2016 einen Namen als Live-Rapper erster Güte. Das neue Selbstbewusstsein mündet diesen Sommer in seinem neuen Album »Insomnia«, das gleichzeitig auch den Abschluss der Trilogie mit den dazugehörigen Alben »Amnesia« und »Euphoria« bildet.