18 May Rockstah – Pubertät
Zugeben, wenn man sein erstes Album „Nerdrevolution“ nennt und sich darauf mit Songs
wie „Zocken > Ficken“ für gepflegtes Gedaddel und gegen Geschlechtsverkehr ausspricht,
dann kann man sich hinterher nicht beschweren, wenn die Leute einen als Sonderling abstempeln. Tatsächlich war Rockstah nie der wildtrinkende, Gitarren-zerschlagende, Kokslines-wegziehende Weiberheld. Er ist faul, mag Videospiele mehr als Frauen, hat ein Lichtschwert, ernährt sich nur von Scheiße und zu allem Unnütz fallen ihm noch die Haare aus. Aber Rockstah hat sich
genau das zu Eigen gemacht. Da können sich die Leute ihr Maul zerreißen so sehr sie wollen.
2008 debütierte Rockstah mit seinem „Glamrockrapper“-Mixtape, das als kostenloser Download rund 10.000 mal den Weg auf die Festplatten der Musikbegeisterten fand. 2010 folgte der nicht minder erfolgreiche zweite Teil. Im selben Jahr legte Max Nachtsheim mit seinem Debütalbum „Nerdrevolution“ nach und sorgte für Begeisterungsschübe in der gesamten HipHop-Gemeinde – sowohl auf Fan- als auch auf Rapperseite sprach man dem 29-jährigen großes Lob für ein solch eigenständiges Release aus. Rockstah wird von Falk zum spannendsten Newcomer des Jahres 2010 auserkoren, steht als Voract für Olli Banjo, Prinz Pi, die Orsons oder Casper auf der Bühne, spielt 2011 erstmals beim Splash! und fährt danach auf gemeinsame Headliner-Tour mit Cro und Ahzumjot. Das Lob und die Erfolge in den Monaten nach Release sind vollkommen berechtigt. Tatsächlich schafft Rockstah es auf „Nerdrevolution“ all seine Facetten in ein schlüssiges Gesamtkonzept zu bringen. „Auf ‚Nerdrevolution’ war schon sehr viel von mir selbst zu hören. Aber die Platte war eben auch sehr auf das Klischee als Nerdrapper beschränkt“, blickt Rockstah zurück. Folglich greift das neue Album alles von „Nerdrevolution“ in reduzierter und weniger-aufdringlicher Form auf.
Nerdig ist die Platte aber immer noch wenngleich das Wort aber kein einziges Mal erwähnt wird. Das schwingt lediglich im Subtext mit. Rockstahs zweites Album ist dabei schlicht mit „Pubertät“ betitelt. „Das ist ein Albumtitel, der es einfach auf den Punkt bringt und mir Unmengen an Möglichkeiten bietet.“ Rockstah kann das kleine Kind auspacken, dann wieder rotzfrech und vorlaut sein, eine gut dosierte Prise seines wohlbekannten Menschenhasses einstreuen, aber auch mal ein wenig erwachsener als bisher sein – sprich: all die Facetten abbilden, die einen in dieser entwicklungspsychologischen Phase auf dem Weg vom Kind zum Erwachsenen begleiten.
Rockstah ist der Ganzjahresgrinch, der mit dem Mittelfinger die Texte tippt, der
„König Außenseiter“, der Pausenclown der New School, das selbstkreierte Riesenbaby, der, der wegen der Segelohren schon immer fly war. Der, der sich den „Superheldenanzug“ überstreift, auch wenn die Naht reißt. All diese Facetten vermengt Rockstah auf „Pubertät“ zu einem sympathischen und selbstironischen Soundtrack seines Lebens. Das Album ist ein liedgewordener Wes Anderson-Film, die musikalische Interpretation von „Napoleon Dynamite“.
Dabei kann man das Album wohl am besten als uneitel beschreiben. Rockstah will gar nicht supercool oder schön daherkommen, sein Leben findet nicht in den hippen Berliner Clubs, sondern in Heusenstamm und Rodgau auf der Couch statt. Und von dort aus plant er die stumpfe Rebellion und den Aufstand des Kuhkaffs. Zum Beispiel die Rache für die Scheidung seiner Eltern: Weiter im „Hotel Mama“ wohnen, seine Jugend verschwenden, Sneaker sammeln, BluRays gucken und literweise Cola light trinken.
Aber zwischen all dem ist auch Platz für unprätentiöse und nachdenkliche Momente. Dem Traum von der Raumfahrerkarriere gibt er in „Astronaut“ ganz schnell wieder dran. Denn groß wird er eh nicht. Und wie er da so auf den Dächern der Stadt steht stellt er fest: „Die Welt bleibt unser Spielplatz und wir für immer hier.“ Und dann ist da noch „Die kleinste Sekte der Welt“ – eine niedliche Nerdromanze in der Rockstah mit seiner Angebeteten wie Lea und Han mit Chewbacca als Chauffeur ab in den Urlaub nach Tatooine düst. Es ist eine referenzgeschwängerte Liebesgeschichte zwischen „Star Wars“, „Sing Star“, selbstgemachten Handzeichen und Tamagotchi-Kindern – und augenzwinkernde Details wie diese finden sich in jedem der Songs wieder.
Auch musikalisch. Denn Dank Raphael Rasmus, Sam Exzellent und den Co-Produktionen von Tim Schwerdter fällt sofort die musikalische Eigenständigkeit auf. Rockstah hat einen neuen Sound den man auch wiedererkennt – irgendwo zwischen Sleigh Bells, Childish Gambino, den Beastie Boys und The Cool Kids. Letztendlich ist der neue Sound eine konsequente Fortführung von dem Klanggerüst, das sich mit „A-Taste“ und „Klick deine Mutter“ im letzten Jahr schon angedeutet hatte. Konkret heißt das: weniger Elektronik, mehr echte Musik und vor allem: Lautstärke. Ein bisschen Noise Rock, ein bisschen ehrlicher Pop, und an den richtigen Stellen Auf-die-Fresse. „Der Wiederkennungswert, den ich bis dato nur thematisch hatte, ist jetzt auch musikalisch spürbar“, findet Rockstah.
„Es sind nicht mehr einfach nur Beats die nach Videospielen klingen, sondern ein Sound, der die alten und neuen Themen viel besser verbindet. Einfach der nächste logische Schritt. ‚Pubertät’ ist in meinen Augen eine schlüssige Platte, die viel lockerer als die letzte geworden ist. Mit Ecken und Kanten und an den richtigen Stellen ehrlich catchige Popmusik.“
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